Berlin

News vom 27.05.2019

Gesprächsreihe „Olympia hautnah“ zu Werten des Sports

„Die Olympischen Werte sind bemerkenswert und großartig, gleichwohl sehe ich einige Entwicklungen rund um Olympia sehr kritisch“, so der profilierte Philosoph und Sportwissenschaftler Prof. Dr. Gunter Gebauer. Gebauer war zusammen mit den früheren Sportlerinnen und heutigen Trainerinnen Jenny Wolff und Kim Raisner Podiumsgast beim Talk „Olympia hautnah“ der Deutschen Olympische Gesellschaft Landesverband Berlin am 20. Mai 2019. Moderiert wurde das Gespräch von Stephan Abel, persönliches Mitglied des Deutschen Olympischen Sportbundes, von 2014 bis 2018 DOSB-Vizepräsident sowie Ehrenpräsident des Deutschen Hockey-Bundes.

In seinem Eingangsstatement brachte Prof. Gebauer seine ambivalente Haltung zu Olympia zum Ausdruck – und die Zuhörer zum Nachdenken. Der Sport habe ein Werteproblem, so Gebauer. Nationalismus und Konservatismus seien zwiespältige Werte, mit Vorteilen und zugleich negativen Seiten aus heutiger Sicht. Das Hauptproblem jedoch stelle jedoch die Nichtkontrollierbarkeit des IOC dar bzw. sein fehlender Wille, sich unabhängig kontrollierten zu lassen.

Mit Blick auf die Olympischen Werte an sich stellte Gebauer vor allem die Bereitschaft heraus, im fairen Wettkampf hohe Leistungen bringen zu wollen – was in Diskussionen noch viel stärker als Argument für den Sport und seinen Nutzen verwendet werden sollte. Als Chance für „Fair Play“ sah Gebauer ein „intuitives Verständnis von Gerechtigkeit“: Viele sähen darin so etwas wie ein natürliches, überwölbendes Prinzip im Sport, und darauf könne man aufbauen. Notwendig sei aber auch eine „Ethik des Könnens“: ein Bewusstsein davon, welches Können, welche Fähigkeiten im Sport nötig sind und was daran wichtig ist für alle und nicht nur für die Spitzenathleten.

Die ehemalige Moderne Fünfkämpferin, Olympiateilnehmerin 2000 und heutige Cheftrainerin der deutschen Fünfkämpfer, Kim Raisner, machte deutlich, dass die Trainer bei der Vermittlung der Werte eine bedeutende Rolle spielen – sei es als unmittelbares Vorbild oder als Ratgeber in Sachen angemessenes Verhalten und Auftreten. Leider ließen die aktuellen Rahmenbedingungen wie zum Beispiel befristete Verträge und die fehlende Planungssicherheit für viele Trainer aber eine stärkere Wertevermittlung nicht zu.

Jenny Wolff, Olympia-Silbermedaillengewinnerin 2010 sowie fünffache Weltmeisterin im Eisschnelllauf und heute verantwortlich für die Traineraus- und Weiterbildung bei der Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft, sieht nach wie vor großes Interesse am Sport bei vielen Jugendlichen. Das Problem sei dann aber, dass viele im Leistungssport wieder aufhörten, weil ihnen andere Herausforderungen – zum Beispiel ein Studium – als wichtiger und erfolgversprechender erschienen.

Stephan Abel rückte diese Diskussion über die Durchhaltebereitschaft im Spitzensport in den Mittelpunkt. Auch hier gehe es letztlich um die Strahlkraft der Werte, für die der Sport steht. In einer Gesellschaft, die stark individuell geprägt ist, fehle manchmal die Anerkennung für Lebenswege, die wegen des Engagements im Spitzensport weniger zügig und zielgerichtet verlaufen.

In der Diskussion mit dem Publikum wurde klar: Von der Situation der Trainer in Deutschland über das Thema Doping bis hin zur Bedeutung des Sports in der Lebenswirklichkeit der Kinder und Jugendlichen oder zu den Berufswegen nach der Sportkarriere geht es immer wieder darum, dass nicht ausschließlich auf Ergebnisse und Platzierungen geschaut wird. Der Sport braucht engagierte Unterstützer, die den Wert der Werte hochhalten. Und die Gesellschaft muss verstehen lernen, dass Menschen, die im Sport viel geleistet haben, auch für andere Lebensbereiche hohe Fähigkeiten Qualifikationen mitbringen, die dort dringend gebraucht werden.

Präsident der DOG Landesverband Berlin Dr. Richard Meng: „Dieser Gesprächsabend hat gezeigt, wie wichtig es ist, den Sport als Garanten unseres kulturellen Zusammenhalts zu sehen. Die DOG betont das immer wieder, hier ist unser zentrales Thema. Angesichts all der gesellschaftlichen Veränderungen müssen wir nicht unsere Werte auswechseln. Sondern wir müssen noch viel entschiedener, aber auch zeitgemäßer auf sie aufmerksam machen.“